Eine Berliner Schmierentragödie

Erinnern Sie sich noch an die Überschriften zur Berliner
Krankenhauspolitik, in der Art wie:
                "Krankenhaus Moabit wieder zahlungsunfähig"

So geht das eben im Wirtschaftsleben, werden die meisten gedacht haben.
Aber wer weiß schon, dass das Krankenhaus Moabit einen Gewinn
erwirtschaftet hatte und mit einem Plus von mehreren Millionen Euro
dagestanden hätte, wenn...

Lesen Sie hier eine Geschichte aus Berlin, von Lügen und Rechtsbruch.
Wie ein Krankenhaus ruiniert wurde und über tausend Menschen
um ihre Arbeitsplätze gebracht wurden.

 

Einleitung

1997 feierte das Berliner Krankenhaus Moabit 125 jähriges Jubiläum.
Feiern und große Reden von Politikern.

1998 wurde dann aus dem landeseigenen Krankenhaus Moabit und zwei
bereits eingegliederten, kleineren Krankenhäusern eine gemeinnützige GmbH
geschmiedet,  Stichwort   "Zukunftssicherung".

Die Mitarbeiter waren zuvor im Öffentlichen Dienst beschäftigt.
Sie erhielten die Zusicherung, arbeitsrechtlich auch weiterhin dem Öffentlichen
Dienst gleichgestellt zu bleiben: sie sollten  schließlich der Umwandlung in eine
GmbH zustimmen. Man drohte Ihnen allerdings schon damals mit Arbeitsplatz-
verlust, sollten sie der Vereinbarung widersprechen.

Wieder Feiern, wieder große Reden: der Bürgermeister, hohe Gäste; ein Erfolg.

Berlin war bereits damals hoffnungslos überschuldet, die Berliner Krankenkassen
waren bankrott und hingen am Tropf ihrer Westdeutschen Schwesternkassen.
Es mußte also gespart werden, Geld mußte beschafft werden, aber wie?

Jahrelang waren nach der Wende Chancen zu Einsparungen im Krankenhaus-
bereich durch Inkompetenz und Planlosigkeit vertan worden. Weder wurde das
Personal der landeseigenen Krankenhäuser zentral verwaltet und eingesetzt,
noch konnten Eigeninteressen der Bezirke und Krankenhäuser gebremst werden.
Zwar wurden Betten reduziert, doch die Ausgaben stiegen weiter.  Auch war die
teure Universitätsmedizin nach dem Mauerfall plötzlich doppelt vorhanden, ohne
dass strukturelle Änderungen ins Aug gefaßt wurden.
Ein kostengünstiges stationäres Gesundheitswesen war mangels Ideen in Berlin
unerreicht, aber kein Problem, solange irgend jemand für alles zahlte.

 

Opfer gesucht

Mit der Zeit wurde so die Zahlungsunfähigkeit der Berliner Krankenkassen ein
Dauerproblem. Hunderte Millionen Euro mußten Jahr für Jahr von den
Westdeutschen Schwesternkassen nach Berlin geleitet werden,
und diese forderten immer drängender nach Lösungen.

Die Politik war in der Pflicht etwas zu tun. Leider gab es noch immer keine
vernünftigen Lösungen.
Das verwundert nicht, es war die Zeit einer gnadenlos diletantischen Gesundheits-
politik.  Aber daß nun ein krankenhauspolitisch völlig absurder Weg gewählt wurde,
war nicht mehr verständlich und ist schon gar nicht entschuldbar.
Eine typische Berliner Lösung übrigens:  mit wenig Widerstand möglichst vielen
gerecht werden wollen,....um das Ziel dann völlig zu verfehlen.

Als Entgegenkommen an die Krankenkassen sollte als Bauernopfer ein Krankenhaus
geschlossen werden. Hinter konfessionellen und landeseigenen Häusern standen
mit Kirche und Gewerkschaften eine ( zu ) starke Lobby.

Aber gab es da nicht ein aus jedem Verbund losgelöstes Krankenhaus, dessen
Grundstück im Herzen von Berlin auch noch versprach, reichlich Geld in die leeren
Senatskassen zu bringen?  Genau,  Moabit !
Nur Böswillige denken, daß dies der wahre Grund für die GmbH-Umwandlung war.

 

Bitte die Form wahren!

Um das Krankenhaus zu demontieren, begann man zunächst mit dem platten Versuch,
durch lancierte Zahlen in einem "Gutachten" dem KH Moabit einen Investitionsbedarf
von 100 Millionen Euro zu unterstellen.

Diese völlig frei erfundenen Zahlen mußten durch Gerichtsbeschluß erzwungen
wegen erwiesener Unwahrheit widerrufen werden.   Die tatsächlichen
Modernisierungskosten, ein Bruchteil davon, waren mittlerweile längst aus eigenen
Mitteln erbracht worden. Kosten dieses "Gutachtens" für Steuerzahler und
Krankenkassenmitglieder: 850.000 Euro.

Ohnehin stellte das Gutachten klar, daß die hohen Kosten in Berlin durch die üppige
Universitätsmedizin verursacht werden. In der Bundeshauptstadt ein Tabuthema.

So wurde zunächst mit gefälschten Zahlen das Ansehen des Krankenhauses in der
Öffentlichkeit vorsätzlich beschädigt. So etwas nennt man Rufmord.

Anschließend startete eine in Berlin unvergessen peinliche öffentliche Senatsveranstaltung.
In der Hauptrolle die damalige CDU Gesundheitssenatorin:
Innerhalb weniger Wochen wurden von dieser Volksvertreterin täglich neue Krankenhäuser
als Schließungskandidaten präsentiert. Nach einem tüchtigen Schreck war schon die
nächste Klinik an der Reihe.

Wie zufällig, ganz zuletzt, Sie ahnen es bereits, das Krankenhaus Moabit.
Die längst getroffene Entscheidung kam endlich auf den Tisch.

Hätten Sie nun wenigstens eine Begründung erwartet ?  Fehlanzeige; und der
wahre Grund wurde vom Senat ohnehin verschwiegen.

Offiziell wurde nicht einmal von Schließung geredet. Dass Moabit sämtliche
gesundheitspolitischen Vorgaben erfüllte, preisgünstig und gut belegt war,
interessierte überhaupt nicht. Warum dann nun unbedingt Moabit?

 

Der wahre Grund

Geld. Natürlich. Und zwar für den Senat. Der Schätzwert der Krankenhausimmobilie Moabit,
im Zentrum von Berlin gelegen, sollte bei fast 1 Milliarde Euro liegen.
Bei einer Verschuldung Berlins von bereits damals fast 30.000.000.000 ( Milliarden )
Euro nicht wenig.
Da war Herr Landowsky noch ein ehrenwerter Mann. Mittlerweile liegt die Verschuldung
Berlins bei über 40  Milliarden. Erlaubt schien einfach alles, was Geld bringt konnte.

Es sollte also Kasse gemacht werden.  Wasserbetriebe, BEWAG..., die
besten Stücke waren schließlich schon verkauft, das Eigentum aller Bewohner wird
nach und nach verscherbelt..
So etwas sagen Politiker aber nicht. So etwas klingt in der Öffentlichkeit, die eine
vernünftige und ortsnahe Gesundheitsversorgung erwartet, nicht gerade
verantwortungsbewußt.
Die Parteien hatten also längst entschieden, bevor das Thema öffentlich wurde.

Öffentlich wurde nun über Wirtschaftlichkeit geredet, ohne daß auch nur eine vernünftige
Zahl  genannt werden konnte. Auf dem SPD Landesparteitag 2000 gelang es der Parteiführung
sogar, das Thema Moabit als Tagesordnungspunkt zu verhindern.

Die Politiker beruhigten sich selber: die besten Mitarbeiter würden ohnehin kündigen,
wenn das Thema Schließung nur öffentlich werden würde. ( SPD )
Und für die CDU war Moabit erst gar kein richtiges Thema; der Problembezirk Moabit
mit hoher Kindersterblichkeit, hoher Arbeitslosigkeit und hohem Ausländeranteil ist eben 
etwas anderes als der Nobelbezirk Zehlendorf.

Was spielte es da für eine Rolle, daß der Krankenhausbetrieb Moabit der größte
Arbeitgeber im ganzen Bezirk  war?  Dass sich der Problemstadtteil Moabit seit
Jahren zum Ghetto wandelt, davon wollen wir hier erst gar nicht reden, Stadtplanung
findet in Berlin ohnehin nicht mehr statt.

Der Senat beschloss also nur 1 Jahr nach der gefeierten GmbH Umwandlung die
Herausnahme des Krankenhauses aus dem Krankenhausplan und dessen Schließung.
So wird hier geplant.

 

Gegenwehr

Das Krankenhauas reagierte. Mit einer Klage konnte die Chance auf den eigenen
Erhalt gewahrt werden. In einem Rechtsstaat haben Klagen in
Verwaltungsgerichtsverfahren aufschiebende Wirkung.    Nicht so in Berlin.

Dass eine Klage bei der völlig verqueren Schließungsbegründung berechtigt war,
zeigte das Beispiel des kleineren Wichern Krankenhauses in Berlin Spandau:
auch dieses Haus sollte geschlossen werden, klagte, gewann im Juni 2001 vor
dem Verwaltungsgericht, blieb somit weiter bestehen und betreut heute Patienten.

Natürlich unternahm das Krankenhaus Moabit zwischenzeitlich alles, um noch
kostengünstiger zu werden. Die Liegezeiten sanken weiter, mit weniger Betten
und kleinerem Budget wurden mehr Patienten behandelt, es gab klare Vorteile
gegenüber vielen anderen Berliner Krankenhäusern.

So glaubten die betroffenen Mitarbeiter an den Rechtsstaat und hofften,
dass auch die Krankenkassen und die Senatorin sich an rechtsstaatliche
Regeln halten würden. Doch sie sollten sich irren.

 

Die Folgen

Für die Versorgung der Patienten wären nach einer Schließung von Moabit als
nächstgelegene Standorte zwei Häuser der Universitätsklinik zuständig,
mit 2 bis 3 -fach höheren Tageskosten.

Gleichzeitig plant die Bundeswehr mit der Universitätsklinik den Neubau eines
500 Bettenhauses. (Einige hundert Millionen Euro)
Ein neues Haftkrankenhaus wird im Jahr 2003 gebaut werden müssen.

Das Berliner Paulinenkrankenhaus wurde zur postoperativen Versorgung aller
cardiochirurgischen Patienten in Berlin (150 Betten) komplett erneuert.

Im Berliner St. Hedwig Krankenhaus, einem unter Denkmalschutz stehenden
Altbau, soll mit großem Aufwand für 225 Millionen Euro (!) eine neue Abteilung
eingepflanzt werden, um die Moabiter(!?) Psychiatrie aufnehmen zu können.

Das Groß - Klinikum Buch wird privat für fast eine viertel Milliarde Euro saniert
werden. 250 Millionen Euro, die über die Behandlungskosten von den
Krankenkassen noch bezahlt werden müssen....., während das komplett moder-
nisierte Moabiter Krankenhaus mit über 500 Betten geschlossen wird.
So spart man in Berlin!

Wenn es um die Wirtschaftlichkeit des Standortes gegangen wäre,
man hätte Moabit nie schließen können. Das hätte jedes Gericht bestätigt.
Und so klagte das Krankenhaus Moabit gegen die Schließung vor Gericht.

 

Wie ruiniert man ein Krankenhaus?

Für die politisch Verantwortlichen bedeutete dies, dass der Rechtsstreit
unter allen  Umständen beendet werden musste.  Wie?
Das Krankenhaus musste vor einer Gerichtsentscheidung geschlossen sein.
Ganz egal wie, am schnellsten:  illegal.
So etwas war und ist in Berlin möglich, es herrschte Große Koalition.

Der Umgang wurde härter, Krankenkassen begannen mit Duldung der zu-
ständigen SPD-Senatorin, einer Frau Schöttler, das Krankenhaus zu ruinieren.

Zunächst verweigerten sie den Patienten rechtswidrig die Kostenübernahme
für stationäre Behandlungen in Moabit.  Einweisungen der Hausärzte erhielten
den Stempelaufdruck: "Gilt nicht für das Krankenhaus Moabit", die Patienten
wurden unter Druck gesetzt und verprellt.

Ausgewählte Operationen wurden von den Krankenkassen nicht mehr bezahlt
und sollten vom Krankenhaus nicht mehr erbracht werden dürfen.

Über 800 niedergelassene Ärzte wurden aufgefordert, keine Patienten mehr
einzuweisen. Es war von angebotenen Millionenbeträgen an alle kooperierenden
Hausärzte die Rede. (Ihre Krankenkassenbeiträge, wohlgemerkt)

Kirchlich - katholische Krankenhäuser verkauften sich für einen Judaslohn
an die  Krankenkassen und erklärten sich bereit, das Krankenhaus Moabit
zu boykottieren und keine Patienten mehr zu überweisen. Gegenleistung:
kirchliche Krankenhäuser wurden nicht auf Liegezeitüberschreitungen und 
Fehlbelegung überprüft.

Auch Universitätskliniken leiteten plötzlich keine Patienten mehr nach Moabit,
deren Ärzte sprachen davon, dass es Ihnen untersagt worden sei.
Notarztwagen steuerten Moabit immer seltener an, etc, etc...

Dennoch lag in dieser Zeit die Belegung des Krankenhauses bei über 90%.

Natürlich war das alles illegal. Während eines laufenden Verfahrens ist das
Krankenhaus geschützt, so das Prinzip unseres Rechtssystems.
Verantwortlich für die Einhaltung des Rechts war in diesem Fall leider die
Senatorin für Gesundheit, Frau Schöttler, Sozialdemokratin, SPD, Berlin. 
Sie hatte die Dienstaufsicht und die Pflicht, dem illegalen Tun Einhalt zu gebieten.
Ihre Weigerung, das zu tun, wozu sie gesetzlich verpflichtet war, führte dazu,
daß die Krankenkassen mit ihrer Komplizenschaft machen konnten, was sie wollten.

Es gehört zu den Eigenheiten des deutschen Rechtssystems, daß ein Krankenhaus
gegen eine Krankenkasse klagen kann, aber keine Möglichkeit hat, rechtlich zu-
stehende Forderungen einzutreiben. Dazu bedarf es der Dienstaufsichtsbehörde,
in diesem Fall der Senatsbehörde, die sich in diesem Fall hartnäckig weigerte,
etwas zu tun. Vertrauen können Sie also in Zukunft eher nicht auf diesen Staat. 

Trotz Dienstaufsichtsbeschwerden und Anzeigen ( Kommentar von Juristen:
leider ist nicht jedes verwerfliche Verhalten gerichtlich ahnbar ) verweigerte die
zuständige staatliche Institution ihre Pflicht zur Rechtsaufsicht und unterstützte
damit aktiv den Rechtsbruch.

Wegen der Kostenübernahmenverweigerung für Einweisungen konnten die
Krankenkassen zwar vor Gericht gebracht werden: dort erklärten sie heuchlerisch,
sich zukünftig an die Gesetze zu halten, und machten dann aber genau so illegal
weiter wie zuvor.
Die Senatorin sah zu und ließ sie gewähren.

Routinemäßig wurden die Rechnungen aus Moabit nicht mehr bezahlt und
mussten in monatelanger Klage erstritten werden ( es nützte nichts, dass Gerichte
dieses Gebahren in zahllosen Urteilen verurteilten ). Schließlich wurden alle Zahlungen
durch die einschlägig bekannten Kassen BKK, AOK und IKK ganz und gar eingestellt.

Währenddessen war das Krankenhaus weiterhin verpflichtet, aufgenommene
Patienten ( "Sicherstellungsauftrag") zu behandeln, Geld gab es aber nicht mehr.

Nach Angaben der Geschäftsführung hätte Moabit  bis März 2001 einen Überschuss
von 5,5 Millionen Euro erwirtschaftet, wenn alle Rechnungen bezahlt worden wären.
Auf den Konten stattdessen ein Minus von 13 Millionen Euro, Schulden der Kassen.

 

Das Ende

Im April 2001 war es dann geschehen: Ein wirtschaftlich gesundes Krankenhaus
stand wegen anhaltendem Rechtsbruch vor dem Aus.
Das Krankenhaus musste aufgrund fortgesetzter Zahlungsverweigerung wegen
drohender Insolvenz aufgeben. Die Abwicklung und komplette Zerschlagung
sollte bis zum 31.03.2002 erfolgen.
Für die Mitarbeiter wurde erst mal nichts vereinbart.

Siegesgewiss erklärte die Senatorin dann in der Öffentlichkeit, die Mitarbeiter
wären nach der Schließung natürlich nicht dem Öffentlichen Dienst gleichgestellt.
Arbeitsverträge scheinen in Berlin nicht gültig zu sein.

War das mit ein Grund für die ursprüngliche GmbH Umwandlung?
Die Möglichkeit, sich besonders billig vom Personal zu trennen?

 

Wie wird der Senat über 1000 Beschäftigte los?

Die Senatsverwaltung forderte bereits im Jahr 2000 die Krankenhausleitung
in einem zeitlich befristeten Ultimatum auf, sich mit der offen vorgetragenen
Konsequenz der Selbstaufgabe und Schließung in den Verbund der damals
noch zu gründenden Vivantes GmbH  aufnehmen zu lassen.
( Einem Zusammenschluss aller landeseigenen Krankenhäuser )
Damit hätte das Personal bei einer Schließung abgesichert werden können.

Das Ultimatum lief bis Ende des Jahres. Die Gesellschafter des KH Moabit
und die Krankenhausleitung wollten nicht unterzeichnen.
Die Mitarbeiter wären doch durch ihre Arbeitsverträge abgesichert, hieß es.
Entsetzen bei vielen Mitarbeitern, die das drohende Ende ahnten.

Im Aufsichtsrat ( = die Gesellschafter ) des Krankenhauses saßen die Mitglieder
des Senats, z.B. der CDU Politiker, Staatssekretär von Bürgermeister Diepgen: Rauskolb.
CDU - Rauskolb hatte auch die später zwangssuspendierte Geschäftsführerin (eine 
ehemalige Verwaltungssangestellte) ausgewählt, die mit der Leitung des Krankenhauses 
überfordert war. (Aber dafür war sie auch gar nicht ausgewählt.)

Der ärztlicher Direktor tönte derweil vor den Mitarbeitern: "Ihre Arbeitsplätze sind sicher!"
Die Vereinbarung wurde also nicht unterzeichnet, das Ultimatum lief aus.

Dieser ehemalige ärztliche Direktor hat das sinkende Krankenhausschiff übrigens
als einer der ersten verlassen: man hatte ihm eine Chefarztstelle in einer Vivantes Klinik
angeboten, (bei Einstellungsstop für das übrige Personal), 
seine "Mitarbeiter" sind mittlerweile alle gekündigt.

Nachdem das Ultimatum ausgelaufen war, glaubte die Senatorin nun öffentlich
erklären zu können, dass mit der Nichtunterzeichnung die Moabiter Beschäftigten
alle Rechte auf ihre Arbeitsplätze verloren hätten.
So einfach lösen sich vertragliche Rechte in Luft auf.
Vom Öffentlichen Dienst in die Arbeitslosigkeit: selber Schuld.

 

Es kam noch schlimmer:

Trotz erzwungener Schließung zahlten die Krankenkassen auch weiterhin nicht.
Gehälter, Sozialabgaben, nichts war gesichert und niemand fühlte sich mehr
verantwortlich. Die Senatsbehörde erklärte der Presse beruhigend und vollmundig:
"es wird alles versucht werden, damit es nicht zu einem Insolvenzverfahren...."  
So lasen Sie es in der Zeitung, so versprach es der zuständige Staatssekretär.

OK, OK, kannten wir ja schon, nur eine weitere Lüge. Der Konkurs war als attraktive
Billiglösung schon mal eingeplant, für andere Lösungen war gar kein Geld vorhanden.
Zunächst mußte also die Insolvenz (früher Konkurs)  am 16.Mai beantragt und 
im Juni eingeleitet werden:
Damit waren Kündigungsfristen drastisch gekürzt und  Bereitschaftsdienste, die Feiertags-,
Urlaubs-  Schicht-  und  Nachtzuschläge wurden nicht mehr bezahlt.

Der Insolvenzverwalter erwartet übrigens für seine Halbjahresarbeit  13  Millionen Euro,
mehr als nach Insolvenzrecht für die Abfindung für über 1000 Mitarbeiter gezahlt
worden wäre. Eine Krankenschwester hätte selbst nach jahrzehntelanger Betriebszugehörigkeit 
und unbefristetem Arbeitsvertrag nur ca. 3000.- Euro Abfindung erhalten.

Im Insolvenzrecht ist ja die schnelle Kündigung Trumpf, für einen Sozialplan wäre gar
kein Geld vorhanden. Mit diesem Hintergrund gingen die Mitarbeiter des Krankenhauses
in den Sommerurlaub. Schöne Erholung!

Große Freude bei den Krankenkassen: mit der endgültigen Insolvenz hätten sie umgehend
das Budget für das Krankenhaus komplett streichen können, also hätten auch die andere
Kassen ihre Zahlungen ganz offiziell einstellen können.

Der Betriebsrat schrieb Bettelbriefe an den Bürgermeister, er solle sich bitte erbarmen
und wenigstens für einen Sozialplan sorgen, so weit war es gekommen.
Der Rechtsanspruch musste als Almosen erbettelt werden.

Wie hieß es noch vor Wochen in einer Schließungsvereinbarung von Senatsvertretern:
"in Verantwortung für die Beschäftigten und zur Eröffnung von Zukunftsperspektiven
für den Gesundheitsstandort Moabit....

Der Gesundheitsstandort schrumpfte übrigens zur "Fixerstube" im gegenüberliegenden
kleinen Tierpark. Unwahrheiten, Worthülsen, billige Beschwichtigungen.
Müssen wir uns von Politikern eigentlich derart belügen lassen?

Die Verantwortung für die Beschäftigten haben Arbeits- und Sozialämter über-
nommen, denn der Arbeitsmarkt ist durch den generellen Einstellungsstopp
und dem drastischen Stellenabbau in den ehemals landeseigenen Krankenhäuser 
auf einen Rest geschrumpft.

Dieser Einstellungsstopp wurde noch übrigens "rechtzeitig" erlassen, bevor den 
Beschäftigten in Moabit  von der eigenen Geschäftsleitung die drohende Insolvenz 
mitgeteilt wurde. An soviel Zufall mochte man gar nicht mehr glauben.

 

2 Klassen von Mitarbeitern

Pikanterweise gab es 2 Klassen von Mitarbeitern in Moabit, alle mit denselben
Arbeitsverträgen, denn einzelne Abteilungen werden in Berlin gebraucht, wie man
feststellte.
So sind Bestrahlungseinrichtungen für Tumorpatienten in Berlin knapp.
Die Moabiter Abteilung sollte erhalten bleiben und wird an einem anderen Ort neu
errichtet werden.
Die Investitionskosten für eine neue Strahlenabteilung werden enorm, die funktionsfähige
im KH Moabit wird abgerissen werden müssen, da sie meterdick einbetoniert und nicht
umsetzbar ist.

So blieben einige Mitarbeiter, mit den gleichen Arbeitsverträgen aber zufällig in den
richtigen Abteilungen, weiterbeschäftigt, da diese Abteilungen nicht aus dem Boden 
zu stampfen waren, während die anderer Medizinabteilungen auf der Straße
standen und die Zeche für eine unfähige Landesregierung und die marode
Haushaltslage zahlen.

Einen Kommentar der Gewerkschaft werden sie dazu übrigens aus Berlin
nicht hören, der Senat hatte ihr an anderer Stelle Zugeständnisse gemacht.
So funktioniert Politik. Ein paar duzend verbittert ausgetretene ÖTV/Verdi Mitglieder
aus dem KH Moabit waren der Preis.

Die Krankenkassen konnten das abgeschossene Krankenhaus als Trophäe in 
Westdeutschland zeigen und erhalten weiter ihre Alimente, die vor dem eigenen Konkurs
schützen. Und für die Politik ist die nächste Panne fest programmiert, wenn sich nämlich der
Schätzwert der z.T. denkmalgeschützten Krankenhausimmobilie im Problembezirk
Moabit als reine Luftnummer entlarven wird. Wir werden es (zu spät) erleben.

 

Der Hohn der Macht

Die Mitarbeiter spürten über Wochen die demütigende Erfahrung, in ständiger
Ungewißheit lebend nicht mehr zu wissen, wie lange ihre Gehälter ausgezahlt
würden und wann sie in die Arbeitslosigkeit geschickt werden würden.

So ein Umgang war bisher bekannt von korrupten russischen Behörden mit sibirischen
Bergarbeitern. Wen wundert es da, dass viele Menschen jeden Glauben an die
Rechtssicherheit in diesem Land verloren haben ?

Was soll man denn von einem Senat halten, der in dieser selbstgemachten Tragödie 
eine "geordnete Abwicklung" des Krankenhauses beschließt und dann dem mutwillig
herbeigeführten Absturz planlos und tatenlos zusah?

Unerträglich wurde es, als die Mitarbeiter auch noch von der Senatsbehörde
verhöhnt wurden ( Presseerklärung im Tagesspiegel ) und allen Ernstes von der
ewig lächelnden Senatorin lesen mußten:
"Die Schließung des Krankenhauses sei ein "Erfolg" (!!) für die Belegschaft !"
Nun ja, es gab  "Pläne": die Belegschaft könne  ja ein Fitness Center gründen... .

Wie bitte? Glauben Sie nicht?  Zustände wie in einer Bananenrepublik ?
Nein!  Das ist Berlin, Große Koalition, nahtlos fortgeführt von der neuen Regierung.
In den Hauptrollen: Senatorin (SPD),  Bürgermeister (CDU),  AOK,  BKK.

Darüber nur noch erbost                                                               ZUR STARTSEITE

                      Ihr Blutgerinnungsteam                                  EINE UNGEHÖRTE PETITION

 

Nachtrag:

Mittlerweile wurde der reguläre Krankenhausbetrieb bereits zum 31.10.2001 eingestellt.
Die Mitarbeiter erhielten eine kleine Abfindung, ihre Kündigung  und wurden arbeitslos.

Eine von der Senatorin zwangseingesetzte Personalvermittlungsgesellschaft,
für die das Krankenhaus aus eigenen Mitteln zahlen musste, schrieb für viel Geld 
Stellenangebote aus Berliner Zeitungen ab und hängte diese aus. Von einer erfolgreichen
Vermittlung haben wir leider noch nichts gehört. Es wird eben viel getan, für die Presse.

 

Leserbriefe aus dem Tagesspiegel vom 9. April:
( Nicht von Krankenhausmitarbeitern )

Politische Unmoral

Die politische Unmoral feiert in unserer Stadt abermals einen Sieg.
Im Zuge der Sanierung des Gesundheitswesens plant der Senat schon
seit Jahren eine Schließung des Krankenhauses Moabit. Indes war es
schwer zu vermitteln, dass unter Berufung auf Sparzwänge ausgerechnet
ein wirtschaftlich arbeitendes Krankenhaus geschlossen werden sollte.

Nicht zuletzt deshalb hatten die Betreiber auch gute Aussichten, als sie
den Rechtsweg beschritten. Zur Durchsetzung seines Beschlusses scheute
der Senat zwar vor fragwürdigen Methoden nicht zurück, gleichwohl schien
der Ausgang des Rechtsstreits offen.

Bevor ein faires Verfahren stattfinden konnte, haben nun die Krankenkassen
mit widerrechtlichen Aktionen das Krankenhaus in die Pleite getrieben.
Die Gesundheitsverwaltung kam ihrer Pflicht als Aufsichtsbehörde über die
Kassen nicht nach, sie hat sie aus durchsichtigen Gründengewähren lassen.

Prof. Karl Hochreither, Berlin Tiergarten

 

Wildwest - Methoden

Ärzte und Pflegepersonal sind verpflichtet zu helfen. Die für die behandelten
Patienten erbrachten Leistungen sind nach Rechnungseingang zu bezahlen.
Das sind auch normale Vorgänge, die eigentlich selbstverständlich sind.
Diese Zahlungen aber vorsätzlich zu verschleppen, so lange,bis die betreffende Klinik,
das Krankenhaus Moabit, zahlungsunfähig wird, ist ein Skandal.

Hier zeigt sich der himmelweite Unterschied der Begriffe Ethik und Moral
zwischen den Leistungserbringern, also der Klinik, und den Krankenkassen.

Sofern wir in einem Rechtsstaat leben, ist es für mich unverständlich,
dass nicht schon längst die Staatsanwaltschaft eingegriffen hat. Werden derartige
Wildwest-Methoden toleriert, macht sich der Staat lächerlich. Vor Wochen sagte
mir ein ehemaliger Gesundheitssenator:"Das Krankenhaus Moabit wird durch die
Krankenkassen stranguliert."

Voller Bitternis und Sorge schreibt der Ärztekammerpräsident Dr. G. Jonitz
im jüngsten Kammerblatt:"Das Gesetz des Handelns haben die Krankenkassen
übernommen, die politisch Verantwortlichen schauen wohlwollend zu,
der Rechtsstaat wird ausgehebelt."

Prof. Dr. Karl-Heinz Beyer, Schlachtensee